Der Morgen geht etwas stressig los, denn Annas linke Brust tut arg weh. Sie liegt in der Hängematte und denkt an ihre Mädels in Köln. Im Hintergrund spielt Musik. Sie lauscht. Ach was für ein schöner Zufall, gerade läuft „Roar“ von Katy Perry. Sie schmunzelt. Wenig später sind sie start klar und fahren zum Parkplatz wo die Wanderung los gehen soll. Eigentlich soll die Straße noch weiter bergauf führen aber es gibt eine Schranke, die eine Durchfahrt verhindert. Abgesehen davon sieht der Weg nicht so aus als ob da in den letzten Jahren jemand lang gefahren ist. Sie entscheiden sich einfach loszulaufen bis sie keine Lust mehr haben oder es Zeit wird umzukehren.

Das Gras steht hoch, der Fluss sprudelt über die Steine und junge Bäume schmücken den Wald. Unterwegs probieren sie die Wilderdbeeren, die zwischen den grünen Gräsern rot hervorscheinen. Eigentlich wollten sie den 300 Jahre alten Wald mit den bis zu 60 Meter hohen Buchen sehen. Bisher reihen sich allerdings nur junge Buchen und andere Baumarten mit ihren dünnen Stämmen aneinander und kämpfen um die notwendigen Sonnenstrahlen und Nährstoffe. Weiter oben, als sie schon 600 Höhenmeter überwunden haben, sehen sie endlich die ersten alten dickstämmigen mit Moosbewachsenen Buchen. Dazu gesellen sich ungewöhnlicherweise Tannen, die so hoch gewachsen sind, dass sie in kein Haus der Welt mehr passen würden. Vorsicht beim hochgucken, der Nacken könnte steif werden. Sie wandern immer höher, klettern über umgefallene Bäume, essen Kekse und versuchen nicht zu lange stehen zu bleiben, denn die Fliegen und Mücken sind penetrant.

„Da, Anna schau“. Ein junges Reh läuft über eine kleine Lichtung. Sie können es lange beobachten bevor es sich aus dem Staub macht. Jetzt sind sie fast oben. Eine Blumenwiese öffnet sich vor ihren Augen und sie blicken auf eine wellige grüne Wiese, einen Aussichtsturm und eine dunkle Wolkenwand, die langsam über die Berggipfel kriecht. Obwohl der Regen naht, essen sie rasch auf dem Turm ihr Mittagessen, denn Anna ist ganz ausgehungert und muss etwas zu sich nehmen sonst muss Philipp noch eine weitere Person tragen. Sie laufen los und kurz darauf tröpfelt es. Anna beginnt zu rennen und Philipp macht mit dem schlafenden Anton in der Trage mit. Der Regen wird stärker. Philipp stellt sich unter ein kleines Dach von einer Informationstafel und fragt aufgelöst „Und was machen wir jetzt, Anna?“. Anna kommuniziert per Handzeichen mit einem Mann, der in seinem Auto sitzt. Er hat es verstanden, steigt aus, räumt die Hinterbank frei, bedeckt seine Sitze mit einer Wasserdichtendecke und lässt sie einsteigen. Es ist ein ungarisches Ehepaar, die sie zurück zu ihrem Auto bringt. Was für ein Glück die kleine Familie doch hat. Riesige Regentropfen prasseln aufs Autodach und fluten die tiefen Rillen des steinigen Weges. Selbst wenn sie Regenjacken dabei gehabt hätten, wäre der Rückweg zu Fuß eine Katastrophe gewesen. Während Anton die rucklige Autofahrt verschläft, verlassen Anna und Philipp das Auto gebildeter, mit mehr Wissen über die Region, Reiseempfehlungen für Montenegro und eventuell mit einer neuen Reiseroute.