Sie verlassen den Campingplatz. Endlich. Sie haben alles erledigt und ihre Geräte aufgeladen. Denn seit sie ihren Spannungswandler mit dem Stabmixer zerschossen haben, können sie ihre Laptops und den Akku ihrer Kamera nicht mehr im Bus laden. Mist.

„Meidet die weißen Straßen im Autoatlas!“ hatten ihnen die Österreicher, die sie in Kotor und von denen sie den Albanienreiseführer geschenkt bekommen haben, geraten. Heute wollen sie eine von diesen weißen Straßen fahren. Nach den Angaben im Reiseführer sollte die Fahrt kein Problem werden. Es ist wohl eine Ausnahme. Sie fahren über Shkodra, eine quirlige Stadt mit vielen Fahrradfahrern, die kreuz und quer über die Straße fahren und sich an den Autos vorbeischlängeln, und einer alten Burg, von der sie einen schönen Blick über den Skutarisee haben könnten. Sie lassen die Burg links liegen und fahren weiter Richtung Koman, von wo sie die Fähre nach Fierze nehmen wollen. Es ist noch nicht ganz klar ob es eine Fähre gibt, denn im Moment hat die Fährgesellschaft technische Probleme, so heißt es in einer E-Mail.

Als sie von der Hauptstraße abbiegen, wird es holpriger. „Es riecht wie in Griechenland“, sagt Anna. „Mich erinnert das an Frankreich“, meint Philipp. Duftende Kiefernwälder säumen die Straße und die Geräusche der Zikaden tönen in ihren Ohren. Links von ihnen zieht sich ein großer hellblauer See – ein Stausee des Flusses Drin – länglich durchs Tal. Sie sehen mehr Strommasten und Stromkabel als Bäume. Zu ihrem Bedauern, da die schattigen Plätze, die sie für die Pausen mit Anton brauchen, rar sind. Unterwegs beobachten sie ein Paar, die mit ihrem Boot über den See rudern und versuchen ihre ausgebüxten Gänse einzufangen. Rinder liegen und stehen an einem Strand des Sees. Es ist ein witziger Anblick, findet Anna, denn sonst sind es ja eher Menschen, die in der prallen Sonne liegen um sich zu bräunen, und dann doch eher rot werden. Ein paar Autos kommen ihnen entgegen, das macht Hoffnung, dass die Fähre tatsächlich fährt. Sie halten ein Auto mit Berliner Kennzeichen an und fragen nach: ja sie fährt. Sie sind froh, dann müssen sie nicht wieder zurückfahren, denn die Straße nach Koman führt in eine Sackgasse.

Nach einer 1,5 stündigen Fahrt, haben sie die 30 Kilometer weiße Straße zurückgelegt. In Koman fahren sie über einen weiteren Stausee des Flusses Drin. Bevor sie eine Schranke mit einem großen STOP Schild passieren können, werden sie von einem Mann abgefangen, der ihnen ein Ticket für die Fährfahrt verkaufen will. Dies soll 80 Euro kosten, dass hatte Philipp aber günstiger im Internet gesehen. Er diskutiert. „You can take or not, I don’t care.”, sagt der Mann lächelnd. Philipp fragt nach den technischen Problemen, die die Fährgesellschaft hat. Der Mann lacht dreckig. „No technical problems, the police put them down“. Sie bezahlen, kaufen im Minimarkt Kartoffeln, Tomaten und Zwiebeln, das ist das einzige an Gemüse was es gibt, ein, halten ein kurzes Pläuschchen mit den Hamburgerinnen, denen sie seit zwei Wochen immer wieder begegnen, und parken oberhalb des Stausees mit direktem Blick auf den Staudamm.

Anna macht Yoga und Philipp liest ihr etwas aus seinem Buch vor. Wenig später unterbricht sie ein Auto, was neben ihnen anhält. Es ist der Ticketverkäufer mit ihrem Ticket für die Fährfahrt. „I was looking for you!“ sagt er mit einem breiten Grinsen und schwingt das Ticket hin und her. Philipp fällt auf, dass er in einem anderen Auto sitzt. Der Mann grinst noch mehr. „I have many cars“. Er rät ihnen hinunter zur Kirche zu fahren, denn dort gibt es einen besseren Schlafplatz direkt am See.