Der Wind ist frisch und mindert die heißen Sonnenstrahlen, die auf ihr Auto drücken. Ihre Lust zum Wandern ist an diesem Tag gering. „Wollen wir nicht einfach hier stehen bleiben oder weiterfahren?“, fragt Philipp lustlos während sie rüber nach Albanien schauen und die heruntergekommenen Hänge zählen. Sie fahren los. Nach fünf Minuten halten sie wieder und parken ihr Auto an einem Wanderweg. Sie sind nicht die einzigen. „4,5 Kilometer, 2 Stunden und 900 Höhenmeter“, sagt Philipp als er von der Infotafel mit Anton im Arm zurückkommt. Das ist doch machbar. Anna packt alles zusammen während Philipp Anton in den Schlaf schuckelt. Ein belgisches Pärchen spricht ihn an als er im Schatten des Busses hin und her wackelt, Kniebeuge macht und auf und ab läuft. Sein Repertoire an Einschlaf-Schuckeln-Techniken hat sich enorm erweitert und ist quasi mit der Körpergröße Antons gewachsen. Das Pärchen erwartet auch ein Baby. Die Frau ist in der 18.Woche und nichts ist zu sehen. Das erinnert Anna an ihre eigene Schwangerschaft.

Sie stiefeln zügig und motiviert los. Jetzt haben sie doch Lust. Der Weg wird steiler und Anna schwächelt. Ihre Schritte werden langsamer und kleiner. Aber auch Philipp, der den inzwischen wachen Anton auf seinen Schultern trägt, ist langsamer geworden und schleppt sich den Berg hoch. Als sie eine kurze Pause machen, überholt sie das belgische Paar. „Die sind ja ganz gut unterwegs“, brabbelt Philipp. Sie lassen Anton noch kurz ein paar Blätter von den Ästen abreißen und laufen dann stetig weiter bis zur Baumgrenze, wo sie Anton abhalten, Kekse essen und Wasser trinken. Weiter geht’s. Hinter ihnen schimmert der Ohridsee, in dessen hellblauen Wasser sich die weißen Kumuluswolken spiegeln. Vor ihnen liegt ein steiler Weg über graue Felsen, der an Wiesen und Büschen vorbeiführt. Bevor sie oben ankommen und sie den Prespasee sehen können, wird Anton gestillt und Mittaggegessen. Es geht nur langsam vor ran, denn Anna ist eine schlappe Nudel. Am höchsten Punkt sehen sie im Westen den Ohridsee und im Osten den Prespasee, die zwei größten Seen Mazedoniens, beide geschaffen durch die Bewegung der drei Erdplatten, die in Mazedonien aufeinandertreffen.

Bergab schläft Anton, und Philipp und Anna reden über Arm und Reich, warum die sozialen Berufe in Deutschland so ein geringes Einkommen haben, ob Sozialismus oder Kommunismus funktionieren können und ihr Lieblingsthema das Müllproblem. Ihr Bedürfnis etwas in dieser Welt zu ändern ist groß. Als sie unten am Auto ankommen, stellt Anna fest, dass sie ja doch auf dem höchsten Gipfel des National Park – den Magaro Peak – waren. Super!

Sie fahren zum Prespasee in den Ort Stenje, wo sie direkt am Strand in einem Restaurant, das belgische Pärchen treffen, etwas Essen und einem kleinen Jungen Tee abkaufen. „It is for Antonio.“, sagt er als er mit viel Freude das Geld einpackt. Das Essen ist milde ausgedrückt nicht gut. Die labbrigen Pommes schmecken neben dem noch kalten Tiefkühlgemüse wohl am besten. Eine Schotterpiste, die Richtung Albanien zeigt, bringt sie auf ein breites Feld wo sie parken und übernachten. Parallel zur Schotterpiste gibt es einen neu aussehenden Fahrrad- und Fußweg, der mit modernen LED Laternen ausgestattet ist und von den Anwohnern mit dem Auto befahren wird. Hier haben die GIZ oder KfW – alte verblichene Schilder weisen darauf hin – anscheinend versucht Tourismus zu fördern. Ohne Erfolg.