„Es ist schon wieder so diesig“, sagt Anna, die sich gerade die Zahnbürste in den Mund schiebt. Ja, es ist diesig. Mensch kann fast nichts sehen. Die Ortschaft schläft. Alles ist leise. Bis auf einen Bootsfahrer, dessen Mikrofontests die Stille und Ruhe durchbrechen.
Diesmal kommt ihnen der Weg zurück zur Autobahn nicht so lang vor. Sie halten in Bericek wo sie in der PTT Post – nach einigen U-Turns und Fahrmanövern – landen. Es ist voll. Sie ziehen eine Nummer. Als ihre Nummer aufblinkt, hechten sie zum Schalter. Zu langsam. Es ist hat sich jemand vorgedrängelt. Immer mit der Ruhe. Wenn er fertig ist, sind sie an der Reihe. Ah ja. Das ist ja nett. Die Dame am Schalter ist nicht hilfreich und lässt Philipp mit dem türkischen Dokument, was er ausfüllen soll, so ziemlich allein im Regen stehen. Anna lässt ihn mit Anton auch im Stich, da die Windel nass ist. Am Ende schafft er es und kommt siegreich mit dem HGS System in der Hand zurück. Weiter geht die Fahrt.
Hinter Gaziantep machen sie eine Pause an einer Raststätte. Anna spielt mit Anton im Restaurant während Philipp sich ausruht und ein Nickerchen im Bus macht. Anton wird von einem Mann liebevoll hochgenommen und hochgeworfen. Die Zeit vergeht und Anna bekommt Hunger. Zweimal versucht sie etwas Vegetarisches zu bestellen. Beim dritten Mal klappt die Kommunikation: Der junge Kellner hat auf alle Fleischsorten, die in der Theke ausgelegt sind, gezeigt und Anna hat immer wieder „Nein“ gesagt. Sie bekommt eine sehr leckere Linsensuppe, Salat und Brot. Philipp quält sich noch verschlafen aus dem Bus und gesellt sich zu Anton und Anna. Er bekommt das Gleiche serviert. Ein LKW-Fahrer bemerkt, dass sie Deutsch sprechen – seine Mama ist Deutsche – und lädt sie prompt zu sich an seinen Tisch ein. Sie essen gemeinsam und am Ende bezahlt er die gesamte Rechnung. Na gut. Sie können ihn nicht davon abhalten. Er besteht darauf, trinkt sein Tee aus und verabschiedet sich.
Die kleine Familie macht sich auch so langsam auf den Weg. Sie fahren an Adana vorbei und schaffen es noch bis nach Mersin. Links und rechts sind viele kleine landwirtschaftliche Felder. Dann kommen hohe weiße Hochhäuser. Und wo ist das Meer? Hinter dieser dichten Smog Wand, die sich hartnäckig hält. Dazu gesellen sich hochaufsteigender schwarzer Rauch und zahlreiche Brände. „Na ob das hier richtig ist?“ zweifelt Philipp. Sie fahren über kleine Straße und erreichen den Strand, der ebenfalls als Mülllager verwendet wird. Plastik stapelt sich zwischen Wegesrand und Strand, scharfkantige Glasscherben liegen über den gesamten Strand verteilt, Glasflaschen treiben im leichten Seegang und zwischen den Sandkörnern schimmern viele vom Meer zerkleinerte bunte Plastikteilchen.
Sie gehen in ein Restaurant gegenüber vom Strand und essen Abendbrot, lassen Anton sich auf der kleinen Spielecke müde rackern, gehen voll gefuttert zum Bus und fahren an eine ruhigere Stelle am Strand.