Am Morgen spulen sie ihre Routine ab und fahren mit der ersten Schlafphase von Anton weiter. Sie überqueren eine lange Brücke, die über den See führt: Salzkrusten, milchblaues Wasser, flaches Gewässer mit fließendem Übergang in den Himmel. Es stehen alte Stühle und verrostete Boote am Ufer des Sees. Ein Pärchen schaufelt Salz in einen großen dicken Plastiksack. Ob das so legal ist? Auf der Fahrt nach Khoy riecht es nach Müll, der verbrannt wird. Überall sehen sie schwarze Rauchwolken aufsteigen, die die Luft verpesten und alles unter einem grauen Dunstschleier verhüllen. Ein stechender Geruch, der die Lunge quält, zieht in ihre Nasen.
In Khoy fängt es gerade an zu regnen als sie ihr Auto abgestellt haben. Sie warten. Als es nur noch tröpfelt gehen sie mit ihren bunten Regenschirmen, die wie Farbklekse auf einer grauen Wand leuchten, los, laufen zum überdachten Bazar und gehen auf die Suche nach Dingen für die sie ihre letzten Rial ausgeben können bevor sie das Land wechseln. Normalerweise würden sie es einfach in den Tank hauen aber Diesel ist so günstig im Iran, dass sie nicht mal ein Zehntel von dem was noch ihre Geldbeutel zur Verfügung stellen loswerden würden. So ein Mist! Jetzt müssen sie das Geld für leckere Datteln und Nüsse ausgeben. Anna kauft ein Kilogramm Datteln, eine große faltbare Picknickdecke – ein Muss für jede iranische Familie und nun auch für Anna – ein Kilo Tomaten, Rotebeete und Käse. Ihr Geldbeutel wird nicht bedeutend kleiner. Noch ein paar süße Backwaren in die Einkaufstüte. Hmmm… Annas Bananen Geldbeutel bleibt prall gefüllt. Am besten sie kaufen zwei Kilo von ihren so geliebten und so lecker schmeckenden gerösteten und mit Zitronensaft überzogenen Mandeln. „Da sind sie!“, sagt Anna und zeigt mit dem Finger auf einen Laden. Als sie durch die Schaufensterscheibe klotzen, ist der Ladenbesitzer bereits dabei in die Mittagspause zu gehen. Leider macht er keine Anstalten den Schlüssel nochmal in die andere Richtung zu drehen. Er geht und lässt die beiden Klotzenden stehen. So ein Pech. „Vielleicht kaufen wir doch noch einen Teppich?“, scherzt Philipp halbernst.
Anna schlägt vor mal eine iranische Pizza zu probieren. Sie fahren die Hauptstraße entlang bis zu einem großen Kreisverkehr und parken ihr Auto am Straßenrand. Pizza 80 heißt der Laden, in den sie gehen. „Two pizza without meat and without chicken.“, sagen sie und schieben noch ein „Vegetarian.“ hinterher. Sie haben bereits gelernt, dass „Chicken“ kein „Meat“ im Iran ist. Die Pizza wird gebracht. „Wurst ist drauf“, sagt Philipp. Es ist soviel Wurst, dass sie keine Lust haben sie runter zu sammeln. Sie lassen die Pizza zurückgehen und wollen eigentlich gehen. „I would like to pay“, sagt Philipp aber der Mann, der die Bestellung aufgenommen hatte, winkt ab, sagt „No problem“ und macht zwei neue Pizzen mit Kartoffelstückchen. Wie leider zu erwarten war ist die Pizza eher mäßig genießbar: Schlechter Käse, fettig, nicht knusprig, dicker Teig. Mit einem letzten Schluck Cola spülen sie den Pizzageschmack hinunter und zahlen. „This is Toman, yes? Not Rial?“, fragt Anna unglaubwürdig. „Yes, yes Toman“, sagt der Kassierer. “Wow. This is very expensive”, sagt Philipp. “No, not expensive”, sagt der Mann. Philipp rechnet und sagt “Das sind ja 20 Euro, die der haben will“. Sie zahlen. Beim Rausgehen schaut sich Anna die Preise, die am Schaufenster unter den Gerichten stehen an, spricht mit den Kellnern, zeigt auf die Preise, die Kellner zeigen ihr die Menükarte, erzählen etwas unverständliches auf Englisch, Anna geht zurück zur Kasse und fordert, dass der Mann ihr jeden Preis in den Taschenrechner eintippen soll, so dass sie es sehen kann. Er hat ihnen einfach vier Pizzen berechnet obwohl sie nie vier bestellt haben. Sie diskutiert bis er ihr die Hälfte des Geldes zurück gibt.
Sie gehen nach draußen auf die andere Seite des Kreisverkehrs. Dort hatte Anna einen Nuss- und Trockenfrüchteladen gesehen. Sie kaufen zwei Kilo von den Mandeln, was den Geldbeutel und Philipps Hosentaschen endgültig schrumpfen lässt. Zurück am Auto bekommt Anton noch eine Kette geschenkt. Nun aber weg hier. Sie fahren eine Nebenstraße, die durch eine schöne Schlucht mit grünen Tälern und einen Fluss, dessen Flussbett mit Wasser gefüllt ist, führt. Sie sehen Männer, die Volleyball zocken, und Kinder, die auf einem Platz Fußball spielen. Schön! Kurz vor 17 Uhr sind sie an der Grenze. „Tomorrow!“, sagen die Grenzbeamten. Tja, die türkische Seite ist bereits im Feierabend. Sie parken in der Nähe vor einem Kebab-Restaurant.
Am Abend fängt es an zu regnen. „Oh nein!“, bricht es aus Anna heraus. „Phili, es tropft schon wieder von der Decke“. Rasch schrauben sie die Karte ab. Es ist nicht die alte Stelle, die Philipp schon dreimal mit Silikon verdichtet hat. Schon mal gut. Als er an der Isolierung herum friemelt, schwappt ein kleiner Wasserfall aufs Bett. „Ach du scheiße! Das ist richtig viel!“, sagt er erschrocken. „Dieser Deppe, nur gefuscht hat er“, regt sich Philipp auf. Sie hängen ihre Salatschüssel darunter und hoffen, dass sie über Nacht nicht überläuft. „Schlaf gut“. „Ja, du auch“.