Das Schreien eines Babys hallt durch den dunklen Wald am Tovel See. Keiner hört es. Außer mir. Ich stehe noch mit nackten Beinen im kalten See und mache Fotos von den Berggipfeln, die von der aufgehenden Sonne angeleuchtet werden. Merles Quengeln und Nörgeln wird energischer und so schieße ich mein letztes Bild für diesen Morgen. Ich wandere mit ihr auf der Schulter zurück zum Bus. Auf dem halben Weg entscheide ich mich jedoch sie am Ufer des Sees zu stillen und die Aussicht auf die Berge noch ein wenig zu genießen. Manchmal fluche ich innerlich, wenn Merle sehr früh wach wird. An diesem Morgen durfte ich aber dank ihr einen Sonnenaufgang an einem Bergsee mit einem freien Blick auf die Berge, die am Tag zuvor noch tief in den Wolken hingen, erleben.

Noch vor einigen Monaten saß ich mit einem positiven Schwangerschaftstest in der Hand auf der Toilette. Diesmal verspürte ich weniger Panik als bei meinem ersten Kind. Ich machte eh einiges anders. Ich rief direkt bei meinen Hebammen an, blieb gelassen und kontaktierte meine Frauenärztin erst nachdem mich die Hebammen untersucht hatten. Auch den Zuckertest und das CTG schlug ich aus. Als ich den Geburtstermin überschritten hatte, war meine Schwangerschaft plötzlich mit Stress verbunden. Es gab häufiger Untersuchungen und Kontrollen, ob es unserem Baby gut geht. Ich versuchte mich selbst zu beruhigen und hielt daran fest, dass Merle und mein Körper am besten wüssten wann die Geburt eingeleitet werden kann. Das gute Zureden meiner Hebammen hat mir dabei geholfen auch die letzten Tage meiner Schwangerschaft mit Ruhe und Gelassenheit zu meistern.
Ich erinnere mich gerne, wie ich am Tag vor der Geburt noch 10 Kilometer Fahrrad gefahren bin, Philipp und ich am Abend kuschelten und es dann in der Nacht mit starken und regelmäßigen Wehen los ging. Ich atme, ich töne, ich gehe die Treppe hinunter und steige in die Badewanne, ich ändere meine Position in die Seitenlage, ich töne weiter, ich schreie, ich schlage mit der Hand gegen die Badewanne, ich brülle und schreie lauter, ich gehe raus aus der Badewanne, ich kann mich kaum auf den Beinen halten als die nächste Wehe kommt, ich liege im Bett, ich drücke und drücke nochmal. Und dann ist sie plötzlich da. Unsere Merle. Voller Glück und Freude, dass die Schmerzen vorbei sind, es so schnell ging, Merle mit allen Fingern und Gliedmaßen zur Welt gekommen ist und wir mit meiner Hebamme, die auch schon bei Antons Geburt dabei war, diesen wunderbaren Moment bei uns in der WG erleben durften.

Und nun bin ich mit Philipp, Anton und Merle im Bus unterwegs.