Wir verlassen die Berge und die Gegend nördlich des Gardasees. Kaum sind wir am Gardasee, stauen sich Hunderte von Autos hintereinander und brutzeln in der Mittagssonne. Ich bin froh, dass wir auf der anderen Straßenseite fahren. Wir wollen uns langsam an die Adriaküste vorwagen. In einem Rutsch ist es nicht zu schaffen, da es leider zu weit ist. Wir müssen wahrscheinlich einige Stopps auf dem Weg machen. Ich hatte für unsere erste Übernachtung einen Stellplatz am Po rausgesucht.
Es wird heißer. Das Land wird flacher und die landwirtschaftlich genutzten Flächen werden größer. Viele Kilometer sehen wir nur flaches Land, große Bauernhöfe mit alten, halb zerfallenden Häusern und zwischendurch Ortschaften mit vielen alten, wunderschön verzierten Häusern und Villen, deren Fassade bröckelt, und wenige renovierte Häuser, die mit kräftigen Farben angestrichen wurden. Die Fahrt ist langweilig, die Landschaft ist abgesteckt, geplant und rechteckig, die Gegend dünn besiedelt.
Als ich den Po sehe, bin ich überrascht, wie breit er ist. Dabei wusste ich doch, dass es ein großer Fluss ist. Ich hatte ihn bereits auf anderen Reisen gesehen. Meine Erinnerung an meine Kindheit und Jugend war noch nie besonders detailliert, wenn überhaupt vorhanden. Es stehen andere Wohnmobile auf dem Stellplatz, der mit einer Toilette, Strom und Frischwasser ausgestattet ist. Als ich mit zusammengekniffenen Arschbacken zur Toilette stakse, vergeht mir direkt die Lust an meinen so dringend zu erledigenden Geschäft. Ich ekel mich. Die Toilette wurde entweder noch nie geputzt oder es hat gerade jemand seine Chemietoilette entleert. Ich wage es. Ich hocke mich verkrampft über das Loch und lasse mich lieber von den Mücken zerstechen, als mich zu bewegen. Geschafft.
Es ist staubig und sehr heiß. Ich laufe mit Anton über den Platz. Ich schwitze, Mücken attackieren mich, ich fluche über den Staub, der mir in jede Falte kriecht. Wir suchen einen Hund. Ich denke, dass wir einen Fantasiehund suchen, bis ich irgendwann begreife, dass er den Hund meint, den wir auf der Hinfahrt am Straßenrand gesehen hatten. Er ist sehr traurig, als ich ihm erkläre, dass der Hund unauffindbar ist. Als sein emotionaler Ausbruch abklingt, sieht er eine Drohne am Himmel fliegen und ist hellauf begeistert. Ich schaue mich um und entdecke einen Menschen, der am Ende des Platzes unter Bäumen sitzt und die Drohne steuert. „Können wir hingehen?“, fragt Anton mich. Wir gehen hin, sprechen ihn an, finden heraus, dass er aus Deutschland kommt, und unterhalten uns. Fabian ist sein Name und er reist und lebt mit seiner Freundin in einem alten Wohnmobil. Nach dieser Begegnung spielen wir mit Wasser und spritzen uns gegenseitig nass, bis ich entscheide, beide Kinder zu duschen und zu waschen.

Am nächsten Morgen geht Philipp auf die Toilette und während er hockt und sich zu entspannen versucht, wird er von mehreren aggressiven Mücken hemmungslos gestochen. Die Stiche schwellen direkt an. Genervt sich aufregend, kommt er auf mich zu und macht seiner schlechten Stimmung Luft. „Eigentlich mache ich das Ganze nur für dich!“, schießt es aus ihm heraus. Ich habe Merle in der Trage und stocke, als ich diesen Satz höre. Meine abwehrende Haltung nicht mehr zu übersehen. Ich bin angespannt und reagiere mit Trotz. „Wenn das so ist, drehen wir um und fahren nach Hause“, schnauze ich zurück. Der Abstand zwischen uns wird größer, räumlich und emotional. Wenn wir jede Woche solche Gespräche und Diskussionen führen, habe ich keine Lust weiterzureisen. Ich verlange eine Entscheidung. Sind wir jetzt am Ende?
Fabian und seine Freundin, Mari, kommen auf uns zu. Wir haben inzwischen die Phase Des-sich-Anschweigens erreicht. Sie lächeln und begrüßen uns freundlich. Ich schallte um, als ich ihre Offenheit und Gelassenheit spüre. Ich lasse meinen Ärger, meine Angst und Enttäuschung erst mal ruhen. Es passt zwischen uns, das Gespräch verläuft einfach und unkompliziert, ohne unangenehme Pausen und mit Interesse auf beiden Seiten. Plötzlich poltert es aus mir heraus und ich erzähle, an welchem Punkt wir uns befinden. Weiterreisen oder zurückfahren?
Mit den diplomatischen Worten von Mari schaffen wir es, uns anzunähern. Wir verabschieden uns von den beiden. Ich packe alles ein, verschließe die Kisten und setze mich auf meinen Sitz. Es geht los. Ans Meer.

Hey ihr vier,
wir haben, mit etwas Verzögerung, den Post hier gefunden. Echt spannend zu lesen, in welche Situation wir da reingeplatzt sind 😬 Man nimmt das selber so ja manchmal gar nicht wahr, umso interessanter, dass du so offen darüber schreibst! Wir wünschen euch weiterhin eine gute Reise und alles Liebe!
Fabi und Mari
Ja das stimmt. Es war heikel. Aber ihr habt mit eurem Eintritt in die Situation das Feuer gelöscht. Gleichfalls gute Reise weiterhin. Liebe Grüße und Danke für euren Kommentar!