Ich möchte gerne weiterfahren. Bis zum Gargano National Park ist es nicht mehr weit. Anstatt zu schlafen, mache ich lieber Reiseplanung. Ich finde etwas Geeignetes in der Nähe von Vieste. Wir brechen nach dem Mittagessen auf. Wieder einmal fahren wir an Olivenbäumen vorbei, wieder einmal schickt uns die Navigation über eine sehr schmale Straße und wieder einmal sind die Straße holprig. Den Olivenfarmen folgt ein Gebiet mit grünen Hängen, dicht bewachsen, dunkelgrün und weißen, aus dem Meer ragenden Felsen und Buchten mit weichem, feinkörnigen Sand. Paradiesisch.

Wir stellen unseren Bus auf einem Parkplatz, auf dem bereits einige andere Wohnmobile – fast nur Deutsche – stehen. „Aua!“, schreie ich, als ich mit meinen Füßen im Sand lande. Es gibt so ganz kleine fiese Picker, die sich recht tief in die Haut bohren. Ich ziehe Schuhe an und Anton läuft weiterhin barfuß und holt sich die Teile, ohne zu jammern wieder aus seinen Füßen. Bemerkenswert. Der Strand ist breit und lang und schließt am Ende mit weißen Felsen ab. Ich finde es wunderschön. Endlich sehe ich die Schönheit die Italiens außerhalb der Dolomiten. Bisher fand ich das Land so lala und war etwas gelangweilt. Wir gehen spontan schwimmen und essen am Abend in dem kleinen Restaurant am Strand Pizza. An der Wand, dort wo die Lampen hängen, fangen Geckos kleine Insekten. Anton unterhält das ganz Restaurant mit seiner Begeisterung und seinen Erzählungen über die Geckos. Anders als sonst verstehen wir die Kommentare, denn die meisten Gäste sprechen Deutsch.

Verschlafen höre ich eine Stimme im Hintergrund. Es ist ein Mann, der laut auf Italienisch brüllt. Er klingt aufgebracht. Ich höre auch ein Klopfen an einem Auto, aber nicht an unserem. Ich schließe die Augen wieder, denn die anderen schlafen alle noch. Oder? Kaum sind meine Augen zu gehen die Augen von Anton auf, es folgt Philipp und schließlich Merle. Philipp geht raus und checkt die Lage, denn auch er hat die aufgebrachte Stimme des Mannes gehört. „Es sind schon welche abgefahren“, sagt er. Irgendwie hat Philipp das Gefühl, dass wir auch den Parkplatz verlassen sollten. Also befestigen wir alles, ich schnappe mir Merle, Anton klettert in seinen Sitz und Philipp fährt den Bus auf den nächsten Parkplatz an der Straße. Wenig später versperrt der Mann mit einer Schranke den Zugang zum Parkplatz seines Restaurants. Es ist ein wenig schade, denn der Platz war wirklich schön.

Etwas verdattert und fehl am Platz fahren wir mit unserem Alltag fort. „Oh nein“, poltert es aus mir heraus, als Philipp unsere geliebte blaue Schüssel, aus der wir schon solange unser Müsli essen und die ein Geschenk von Luki war, rausholt. Sie ist zersprungen. Kaputt. Wir frühstücken, gehen auf einem benachbarten Campingplatz auf die Toilette, beschließen auf gar keinen Fall auf einen der vielen Campingplätze zu gehen, sondern parken stattdessen auf dem Parkplatz des Restaurants, wo wir am Tag zuvor Pizza gegessen haben und fahren nachdem Mittagsschlaf in die Stadt Vieste. Wir brauchen schließlich eine neue Schüssel.

Wir parken am Hafen der Stadt. Die Straßen sind leer. Die Geschäfte sind zu. Dabei ist doch bereits später Nachmittag. Die Altstadt gefällt mir. Enge Gasse, niedrige Türen, Löwenköpfe als Türknauf, Wäscheleinen an den Hauswänden und gegenüberliegende Balkone, die sich fast berühren. Planlos laufen wir durch die Gassen und finden tatsächlich einen Keramikladen, der von außen wie ein Ramschladen, der mit eingestaubten Artikeln zugestellt ist, aussieht. Der Verkäufer macht das Licht an, als wir eintreten. Nur schwer gehe ich an den Schüsseln, Holzbrettern und Kellen aus Olivenholz vorbei. Wir kaufen eine Schüssel mit grünen Punkten, die allen außer mir gefällt.

„Da, Philipp!“, sage ich als ein Geschäft mit Sonnenbrillen sehe. Es gibt fast nur abgefahrene und verrückte Modelle für Mutige. Während ich noch rätsle, hält Anton bereits eine in der Hand und zeigt sie mir mit den Worten „diese können wir auch kaufen“. Dabei ist derjenige, der noch zwei Sonnenbrillen besitzt. Philipp und ich hingegen schlagen uns mit einer verbogenen Sonnenbrille rum und einer anderen Sonnenbrille, die nur noch einen Bügel hat. Und Philipps Sonnenbrille, die er so liebt, ist schon wieder verschwunden. Ich finde unter all den scharfen, verspiegelten und grellen Modellen eine schlichte, unauffällige Brille, die uns beiden gefällt. Diese kaufen wir für günstige fünf Euro. Anton darf seine wiederzurücklegen.

Der nächste Tag beginnt freundlich und sonnig. Ein weiteres Mal gehe ich auf dem Campingplatz, mit den so leicht zugänglichen Toilette, pinkeln und kacken. Ich wasche meine Hände und gehe langsam dem Tor entgegen. Ich schrecke auf, da mir ein Mann mit wedelnden Armen und schnellem Schritt entgegenkommt. „Do you think thats nice?“ brüllt er mich an. Er spricht wütend und aufgebracht, dass er mich und meine Familie am Tag zu vor beobachtet hätte. Naja wir waren auch nicht zu übersehen und überhören. Anton hatte heftig geschrien und geweint und ich konnte wenig tun, da ich Merle in der Trage hatte und Anton auch eh nur zu Philipp wollte, der gerade auf der Toilette war. Der Mann fährt fort und fragt mich erneut, ob ich denke, dass es nett wäre, einfach seine Campingplatztoilette zu benutzen. Ich denke nichts. Ich bin ganz verdutzt und gelähmt. Ich entschuldige mich und gehen schnell zu Philipp. Ich ärger mich, dass ich in solchen Momenten nicht schlagfertiger bin. Ich fühle aus der Bahn geworfen.

Wir wollen über den Strand zurücklaufen, um einer weiteren Konfrontation mit diesem Mann zu vermeiden. Es gibt nur leider keinen Zugang. Als wir einen anderen Campingplatz sehen, gehen wir über das Gelände zum Strand. Anton und ich spielen auf dem Spielplatz, der sich dort befindet, Philipp benutzt die Toilette, da uns einer der Gäste sagt, dass das kein Problem ist. Der Besitzer sei entspannt. Als die ersten Tropfen vom Himmel fallen, packen wir unsere Sachen und laufen los. Der Regen kommt schnell und erwischt uns. Nass kommen wir am kleinen gemütlichen Restaurant und trinken einen Kaffee.

Der Regen hört nicht auf. Wir entscheiden spontan einfach ein kleines Stück weiterzufahren. Eine kleine Bucht am Ende einer Straße wird unser nächster Übernachtungsort. Sonne und Regen wechseln sich ab. Anton und Philipp gehen schwimmen, ich mache Fotos und kümmere mich um Merle. Am nächsten Morgen erlebe ich den Sonnenaufgang am Strand. Die Sonne spiegelt sich in den vom Wasser nass gespülten Steinen, die im Morgenlicht rot leuchten. Merle liegt auf dem Schafsfell und schaut in den Himmel. Nach einem Fotomarathon setze ich mich zu und nehme sie auf den Arm. Es ist wunderschön. So endet unser Besuch in Gargano National Park. Wir müssen waschen, einkaufen und verschnaufen.  

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