Manfredonia

Oktober, 2020

Philipp kurbelt das Fenster runter. Ein Mann kommt mit einem Mund-Nasen-Schutz im Gesicht mit schnellem Schritt auf ihn zu. Er hält etwas in der Hand, was er mit ausgestrecktem Arm vor sich trägt. Im ersten Augenblick sieht es wie eine Pistole aus. Ich sitze hinten und schaue erschreckt zu, was passiert. Ich kann es im ersten Moment nicht einordnen. Alles geht so schnell. Ohne Worte, ohne eine Erklärung hält er es in Philipps Gesicht. Piep. Philipps Körpertemperatur wurde gemessen. Anton fängt bitterlich an zu weinen und schreit laut, dass er aus dem Sitz möchte, als der Mann versucht, seine Temperatur zu messen. Ich verstehe erst, warum Anton weint, als ich mich hinstelle, nach vorne schaue und den Mann sehe, wie er aufgeregt mit dem Temperaturmessgerät vor Antons Gesicht wackelt. Ich frage, ob das wirklich notwendig ist. Der Mann besteht darauf, die Temperatur zu messen. Ich spüre, wie mein Körper rebelliert. Etwas forsch sage ich zu Philipp, dass er Anton auf den Schoss nehmen soll. Als Merle und ich mit der Temperaturmessung fertig sind, lässt der Mann die Schranke hoch und wir dürfen hineinfahren.

Anton kann sich nicht beruhigen. Er ist so aufgelöst, dass er nur schluchzend ein paar unverständliche Wörter herausbringt. Ich fühle mit ihm. Auch für mich war es eine erschreckende Situation. Ich warte darauf, dass meine Aufregung verschwindet und sich meine Gedanken wieder ordnen. Wir sitzen gemeinsam auf der Kante unseres Busse, schauen auf das Gelände, essen Feigen und richten Antons Aufmerksamkeit auf den Spielplatz.

manfredonia italien

Ich gehe auf die Suche nach einem Stellplatz. Es ist Ende September, wir befinden uns außerhalb eines wenig touristischen und unscheinbaren Orts, und der Campingplatz ist gut gefüllt, hauptsächlich mit deutschen Rentnerpärchen. Die Sonnenplätze sind fast alle belegt. Es gibt einen gigantischen Truck, ein Wohnmobil, in dem hinten ein Smart steht, viele Standardwohnmobile und unseren selbstausgebauten Fiat Ducato, den wir zwischen Truck und einem Standardwohnmobil parken.

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Mit Merle ständig auf dem Arm tragend und Anton mit seinem grünen Fahrrad ohne Stützräder fahrend, fallen wir auf. Wir laufen zwischen Strand, Bus, Waschmaschine und Spielplatz hin und her. Jemand sagt „Da steckt Liebe drin“, als wir an einer Gruppe von Menschen vorbeilaufen. Wir kommen mit einigen Menschen ins Gespräch und debattieren über die Corona-Maßnahmen, die in Italien diskutiert werden. Unsere Väter hatten uns informiert, dass eine Maskenpflicht im öffentlichen Raum eingeführt werden soll, und zwar abkommender Woche. Philipp und ich hatten davon nichts mitbekommen. Es wird auch gemunkelt, dass an den Häfen geprüft wird, ob Reisende einen Corona-Test mitführen. Das hieße, wir können nur mit Corona-Test nach Sizilien reisen. Ich komme ins Grübeln, ob wir so unsere Reise weiterführen wollen. Ich habe keine Angst, mich anzustecken, auch um Merle und Anton mache ich mir keine Sorgen. Es sind eher die Einschränkungen der Grundrechte, die Verbote und Pflichten, die Panik und Angst, die in der Bevölkerung verbreitet wird, und die Gedanken an das zukünftige Leben, die in mir Stress auslösen und für körperliche Anspannungen sorgen.

Vanlife Manfredonia Italien

 Als uns die Vorräte ausgehen und wir uns nur noch mit getrockneten Tomaten, Kichererbsen und Reis durchschlagen, fahren wir nach Manfredonia. Wir finden einen kleinen Obst- und Gemüseladen und einen Delikatessenladen, in dem wir all unsere hungrigen Gelüste stillen können: scharf eingelegte, schwarze und grüne Oliven, Büffel-Mozzarella, Bergkäse, Focaccia, Pizza. Wir heben noch Geld ab und verschwinden aus diesen Ort. 

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